Chancen und Herausforderungen für die regionale Mobilität

Round-Table-Diskussion, moderiert durch Mag. (FH) Dieter Aigner, Geschäftsführer der Raiffeisen KAG mit den Expert:innen

  • DI Dr. Harald Frey,Senior Scientist, Forschungsbereich Verkehrsplanung und Verkehrstechnik an der Technischen Universität Wien

  • Mag. Jürgen Maier, Senior Fondsmanager, Aktien CEE & Global Emerging Markets, Raiffeisen KAG

  • Mag. Walter Prutej, MBA, Geschäftsführer und Gründer von SURAAA – Smart Urban Region Austria Alps Adriatic (pdcp GmbH)

  • Mag. Michael Schwendinger MA BSc, Öffentlicher Verkehr, Sharing, Ökonomie, Ressourcen, VCÖ

Dieter Aigner: Herr Frey, unter den Verkehrsträgern ist die Straße der größte Klimasünder – rund 16 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes wurden im Jahr 2022 durch Straßenfahrzeuge verursacht. Der Beitrag des Luftverkehrs und der Schifffahrt fiel mit jeweils rund drei Prozent deutlich geringer aus. Sie arbeiten an der TU an nachhaltigen Verkehrskonzepten. Wie geht man so große Aufgaben strukturell an?

Harald Frey: Die Diskussion über Mobilitätsverhalten und -veränderungen ist keine neue; man spricht darüber, seitdem man erkannt hat, dass es wenig Sinn macht, wenn jede:r alleine im Auto sitzend in die Städte fährt. Denken Sie an die Fußgängerzone in der Kärntner Straße in den späten 60er-Jahren. Schon damals erkannte man, dass gewisse Formen der Mobilität nicht mit bestimmten Strukturen zusammenpassen. In den 70er-Jahren wurden aus der Verkehrsberuhigungs-Perspektive neue Modelle entwickelt. Heute sagen viele Städte, dass sie Aufenthaltsqualität brauchen und Menschen im öffentlichen Raum sichtbar sein sollen. Das ist auch ein wirtschaftlicher Faktor, wenn es angenehme äußere Räume gibt, wo sich Menschen aufhalten und zu Fuß gehen können. Das Thema Flugverkehrhaben Sie angesprochen. Es ist zwar positiv, wenn wir uns auf alternative Treibstoffe fokussieren, aber beim Flugverkehr bleiben natürlich Lärmkosten aufgrund der gesundheitlichen Auswirkungen durch Fluglärm. Jeder Verkehrsträger hat unterschiedliche Kriterien, nach denen er bewertet wird, was als Entscheidungsgrundlage für Investitionen dient.

"Es ist wichtig zu wissen, was die Vor- und Nachteile der jeweiligen Verkehrsträger sind, und das kann sich über die Jahrzehnte verändern."
Harald Frey

Unser Fokus richtet sich auf regionale Mobilitätskonzepte, welche Entwicklungen sind hier feststellbar?

Harald Frey: In den letzten 15–20 Jahren haben wir die Mobilitätswendestark aus städtischer Perspektive diskutiert, was einfacher ist, da es dort eine entsprechende Dichte und ein besseres öffentliches Verkehrsangebot gibt. Die Herausforderungen beginnen jedoch schon am Stadtrand und im Agglomerationsbereich. In Wien hat sich das Mobilitätsverhalten in den letzten 15 Jahren kaum verändert, der Anteil des Autoverkehrs im Stadtgrenzen-überschreitenden Verkehr ist von 79 % auf 77 % gesunken. Trotz Maßnahmen wie der flächendeckenden Parkraumbewirtschaftung gibt es gewisse Gewohnheitsstränge in der Mobilität. Bei Infrastrukturinvestitionen in Österreich investieren wir sowohl in die Straße als auch in die Schiene, was die Investition in den jeweils anderen Verkehrsträger schwächt. Die Menschen entscheiden dann, ob sie öffentlich oder mit dem Auto fahren, aber beides gleichzeitig ist nicht möglich.

Es wäre also besser, die Politik würde sich bei den Investitionen auf ein Verkehrsangebot fokussieren?

Harald Frey: Die verkehrspolitischen Zielsetzungen sollten sich zumindest in den Investitionen widerspiegeln. Besonders im ländlichen Raum kann öffentlicher Verkehr auf einem bestehenden Straßennetz betrieben werden. Es bringt jedoch nichts, wenn nur dreimal am Tag ein Bus kommt. Der Betrieb wird anteilsmäßig bei den Investitionen immer relevanter werden, gerade beim öffentlichen Verkehr, aber auch im motorisierten Individualverkehr. Wir haben ein dichtes Autobahnnetz, das in den nächsten Jahrzehnten erhalten werden muss. Gleichzeitig müssen wir die externen Kosten durch Unfälle, Luftverschmutzung und Zerschneidungswirkung von Infrastruktur in Kauf nehmen. Die Gewichtung der Parameter hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert. Heute wissen wir, dass es flächen- und energieeffizienter ist, Wege im öffentlichen Verkehr zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückzulegen, besonders im städtischen Bereich. Das sind geringere externe Kosten für die Gesellschaft. Transformationsprozesse sind immer schwierig. In der Forschung stellen wir zunehmend prozessorientierte Fragen: Wie erreichen wir die Ziele, die wir uns vorgeben? Diese Fragen beginnen bei den Gemeinden und enden bei der EU, wenn man die legislativen Ebenen im Transportsektor beleuchtet.

Harald Frey, Senior Scientist, Forschungsbereich Verkehrsplanung und Verkehrstechnik an der Technische Universität Wien

DI Dr. Harald Frey, Senior Scientist, Forschungsbereich Verkehrsplanung und Verkehrstechnik an der Technischen Universität Wien

Herr Schwendinger, auch die auf Mobilität fokussierte Umwelt-NGO VCÖ hat zum Ziel, ein Verkehrssystem zu schaffen, das ökologisch verträglich, ökonomisch effizient und sozial gerecht ist. Im Rahmen des von Ihnen ausgelobten Mobilitätspreises werden vorbildliche Konzepte in den einzelnen Bundesländern ausgezeichnet. Können Sie uns einen Einblick geben, welche Konzepte hier eingereicht werden?

Michael Schwendinger: Den VCÖ-Mobilitätspreis gibt es seit mehr als 30 Jahren. 1992 haben wir damit angefangen, und inzwischen wurden mehr als 6.000 Projekte eingereicht, von denen wir 400 ausgezeichnet haben. Man findet diese Projekte in unserer Online-Mobilitätsdatenbank unter mobilitaetsprojekte.vcoe.at. Unternehmen, Gemeinden, Schulen, Universitäten und andere Institutionen oder Einrichtungen können teilnehmen, und es gibt jedes Jahr unterschiedliche Kategorien. Der Preis wird österreichweit ausgelobt, wird aber auch in den Bundesländern separat verliehen. Die Palette der Projekte ist sehr breit.

Können Sie uns ein, zwei Vorzeigeprojekte etwas näher vorstellen?

Michael Schwendinger: Vor ein paar Jahren haben wir beispielsweise den Dachverband Carsharing Österreich ausgezeichnet, der die ganzen zersplitterten Carsharing-Angebote vernetzt und über ein einheitliches Roamingsystem österreichweit nutzbar machen will. Das heißt, wenn man bei einem System angemeldet ist, kann man als Gastnutzer:in in den anderen Systemen Carsharing-Angebote in Österreich nutzen. In der Kategorie Güterverkehr und Logistik haben wir ein Unternehmen ausgezeichnet, das Naturgipstransporte in der Steiermark durchführt. Von einem Bergwerk in Tragöß zum 120 Kilometer entfernten Firmensitz nach Weißenbach bei Liezen. Durch die Einbindung der Bahn für den Großteil der Strecke und den Austausch der alten Dieselfahrzeuge gegen eine neue Flotte an Elektro-Lkws konnte nicht nur die CO2-Bilanz, sondern auch die Akzeptanz in der Bevölkerung verbessert werden. Im Bereich Wohnbau und Raumordnung gab es Projekte wie eines in Wiener Neudorf, wo Wohnungen im Zentrum gebaut wurden und den Bewohner:innen ein Mobilitätsbudget zur Verfügung gestellt wurde, damit sie auf das Klimaticket umsteigen und das Auto stehen lassen. Oft geht es darum, sich von alten Gewohnheiten zu verabschieden.

Finden diese Projekte Nachahmung?

Michael Schwendinger: Unser Ziel ist es, gute Projekte und Initiativen vor den Vorhang zu holen und ihnen eine Bühne zu geben. Wir schaffen Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit, was den Projekten oft auch intern Rückenwind gibt. Es gibt auch Nachahmungen, wie das 2023 ausgezeichnete internationale Projekt „31 Days“ aus der Schweiz, das danach auch in Graz, in der Region Wienerwald und aktuell unter dem Titel „Auto-Wette: 3 Monate ohne eigenes Auto“ in Wien umgesetzt wurde und wird. Da ging es darum, für eine gewisse Zeit die Autoschlüssel abzugeben. Als Ersatz haben die Teilnehmer und Teilnehmerinnen dafür ein Öffi-Ticket, eine Carsharing-Mitgliedschaft und ein E-Bike zur Verfügung gestellt bekommen. Solche Aktionen unterbrechen eingewöhnte Handlungsmuster und schaffen Raum für Neues. Die Idee stammt übrigens von einer Jugendgruppe der Pfadfinder.

Mag. Michael Schwendinger MA BSc, Öffentlicher Verkehr, Sharing, Ökonomie, Ressourcen, VCÖ

Mag. Michael Schwendinger MA BSc, Öffentlicher Verkehr, Sharing, Ökonomie, Ressourcen, VCÖ

Herr Prutej, Sie sind Gründer und Geschäftsführer eines automatisierten E-Shuttle-Linienbetriebes in Pörtschach und Klagenfurt. Damit zählen Sie in Österreich vermutlich zu den Pionieren als Anbieter von automatisiertem Shuttle-Service. Wie wird das Service angenommen? Welche Herausforderungen gibt es?

Walter Prutej: Als wir 2017 angefangen haben, haben sich viele gefragt, was wir da machen. Damals gab es kaum einen Rahmen in Österreich, und wir hatten schon die ersten automatisierten Fahrzeuge im Einsatz. 2018 fuhren wir bereits täglich und nach Fahrplan auf Bundes- und Gemeindestraßen am Wörthersee, und letztes Jahr haben wir in Klagenfurt die erste automatisierte Flotte und das erste autonome On-demand-Service in Österreich eingesetzt. Alles Learning by Doing! Unsere Fahrzeuge haben kein Lenkrad, keine Spiegel oder Pedale und sind komplett mit Sensorik und Software ausgestattet. Per Gesetz muss jedoch ein:e Sicherheitsfahrer:in an Bord sein. In Klagenfurt hatten wir drei autonome Shuttles im Einsatz, die zuerst nach Fahrplan und später on demand per App buchbar waren. Gerne laden wir Interessierte zum kostenlosen Testen ein, Infos dazu unter www.suraaa.at.

Was war Ihr Antrieb, das Shuttle-Service aufzubauen?

Walter Prutej: In Österreich kommen auf 1.000 Einwohner rund 600 Pkws, die täglich etwa 38 Kilometer fahren. 40 % aller Autofahrten sind kürzer als 5 Kilometer, also klassische berufliche und private Fahrten zur Arbeit, zum Einkaufen oder zur Schule. Hinzu kommt, dass die durchschnittlichen Berufskraftfahrer:innen in Österreich 55 Jahre alt sind und es einen großen Mangel an Fahrer:innen, nicht nur in Österreich (aktuell rund 8.000 offene Stellen), sondern auch international gibt. In Europa fehlen aktuell rund 230.000 Kraftfahrer:innen, bis 2030 rund eine Million. Automatisierung kann hier helfen, indem sie menschliche Aufgaben übernimmt.

"Automatisierung kann den Verkehr sicherer, sauberer und vernetzter machen. Auch in Europa wird sie immer wichtiger. "
Walter Prutej

Ohne Automatisierung wird es weniger öffentlichen Verkehr und weniger Logistik geben. Wir betreiben derzeit 15 Forschungsprojekte in Österreich, um die Automatisierung voranzutreiben. Ziel ist es, autonome Fahrzeuge 24/7 bei allen Wetterbedingungen einsetzen zu können und den:die Sicherheitsfahrer:in im Fahrzeug durch einen Remote Operator auf der Leitstelle zu ersetzen, was – je nach Gefäßgröße – bis zu 80 % der Betriebskosten sparen könnte. Ein Remote Operator kann laut Studien ca. 10 bis 20 Fahrzeuge steuern.

Wir arbeiten auch daran, die Bevölkerung mitzunehmen und sie mit der Technologie vertraut zu machen. Unsere Zustimmungsrate liegt bei 72 % – nur Akzeptanz schafft Vertrauen in diese neue Technologie. International ist autonomes Fahren ein riesiger Markt, der von amerikanischen und chinesischen Unternehmen dominiert wird. Europa und Österreich müssen aufpassen, nicht den Anschluss zu verlieren. Wir setzen auf europäische und österreichische Wertschöpfung und arbeiten mit Partnern wie Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Universitäten und Fachhochschulen zusammen, um diese Kompetenzen in Österreich aufzubauen.

Autonomes elektrisches Fahren im Schwerverkehr – ist das noch Zukunftsmusik oder in anderen Regionen schon Realität?

Walter Prutej: Ich habe bereits 2018 in den USA ein Platoon mit 10 automatisierten Lkws getestet. Besonders die Amerikaner investieren massiv in automatisierte Trucks, da auch sie einen Fahrer:innenmangel haben, und treiben das Thema stark voran. Automatisierung kann den Verkehr sicherer, sauberer und vernetzter machen. Auch in Europa wird sie immer wichtiger. Es wird jedoch noch einige Jahre dauern, bis die Technologie robust genug ist und der rechtliche Rahmen gegeben ist.

Mag. Walter Prutej, MBA, Geschäftsführer und Gründer von SURAAA - Smart Urban Region Austria Alps Adriatic (pdcp GmbH)

Mag. Walter Prutej, MBA, Geschäftsführer und Gründer von SURAAA – Smart Urban Region Austria Alps Adriatic (pdcp GmbH)

Welche Branchen können von der Transformation der Verkehrssysteme profitieren und daher interessante Investmentmöglichkeiten sein? Spielt autonomes Fahren bereits eine Rolle?

Jürgen Maier: In unserer Arbeitsgruppe, die sich dem Zukunfts-Thema Mobilität widmet, beschäftigen wir uns mit den Megatrends im Mobilitätsbereich aus Nachhaltigkeitssicht. Ein wichtiger Bereich sind alternative Antriebsformen wie Elektromobilität und Wasserstoff. Wir befassen uns aber auch mit autonomem Fahren und Konnektivität. Aus Investorensicht sind darüber hinaus auch die Themen Shared Mobility, öffentlicher Verkehr sowie Logistik und Last Mile Delivery sehr interessant. Im Bereich autonomes Fahren sehen wir die größte Dynamik bei amerikanischen Konzernen wie Waymo, Amazon und Tesla, die in der Branche führend sind, sowie chinesischen Unternehmen wie Baidu, pony.ai und WeRide. In Europa gibt es dazu relativ wenig Aktivität. In den USA wird autonomes Fahren vor allem bei Robotaxis und Robotrucks ausgerollt. Auch autonomes Fliegen wird zunehmend interessant, besonders für den Transport von Gütern zwischen Flughäfen und Logistiklagern.

Wann wird autonomes Fahren die breite Masse erreichen?

Jürgen Maier: Wir gehen davon aus, dass es mindestens noch 3–5 Jahre dauern wird. Am weitesten vorne ist die Google-Tochter Waymo. Sie ist weltweit das erste Unternehmen überhaupt, das Robotaxis zur Marktreife gebracht hat. Die Firma hat den Fahrbetrieb 2020 in Phoenix gestartet. Mittlerweile erstreckt sich der komplett fahrerlose Robotaxidienst auf weite Teile von Phoenix, San Francisco und Los Angeles. Das Unternehmen hat schon mehr als 20 Millionen Meilen an echten Fahrten und über 20 Milliarden Testmeilen zurückgelegt.

Aus Investmentsicht sind für uns vor allem die Software- und Packages-Lösungen in diesem Bereich interessant. Früher oder später werden Unternehmen wie Waymo ihre Softwarelösungen lizenzieren und an andere internationale Autokonzerne weiterverkaufen. Die Hardwareproduktion ist für Investoren inzwischen weit weniger relevant.

Mag. Jürgen Maier, Senior Fondsmanager, Aktien CEE & Global Emerging Markets, Raiffeisen Capital Management

Mag. Jürgen Maier, Senior Fondsmanager, Aktien CEE & Global Emerging Markets, Raiffeisen Capital Management

Wissenswertes zu "Mobilität"

Hintergrundwissen und Einblicke aus dem Fondsmanagement

Österreich scheint ja eine Verbrennernation zu sein. Werden E-Mobilität, Wasserstoff etc. für den Verkehr künftig noch eine wesentlich wichtigere Rolle spielen als bisher? Wann wird unser Verkehrssystem Ihrer Meinung nach emissionsarm funktionieren?

Harald Frey: Die Elektromobilität hat den Vorteil, dreimal energieeffizienter zu sein, wenn der Strom nicht aus fossilen Quellen stammt. Global gesehen gibt es bereits große Investitionen in Elektromobilität und Schiene. Es wird jedoch noch Jahrzehnte dauern, bis unterschiedliche Antriebstechnologien nebeneinander existieren. Elektromobilität wird sich sukzessive durchsetzen, auch wenn es noch Herausforderungen wie Reichweite und Gewicht gibt.

Das Thema Wasserstoff wird ebenfalls eine Rolle spielen, wenn auch in einer Nische. Er hat den Vorteil der Speicherfähigkeit, aber der Umwandlungsprozess ist aufwendig. Letztendlich hängt es davon ab, wem die Technologien nutzen und welche gesellschaftlichen Ziele wir verfolgen. Die dunkle Rückseite jeder Technologie ist genauso groß wie die leuchtende Vorderseite.

Welchen Beitrag leistet autonomes Fahren für die Mobilitätswende?

Harald Frey: Es gibt genügend Studien, die darauf hinweisen, dass autonomes Fahren zu mehr Verkehr führen könnte, unter anderem durch erhöhte Leerfahrten und einen sinkenden Besetzungsgrad. Zudem ist es wahrscheinlich, dass die Bequemlichkeit des autonomen Fahrens Menschen dazu verleitet, weiter entfernt zu wohnen, was den Verkehr weiter erhöhen wird. Auch der Energieverbrauch wird steigen, sowohl durch die Fahrzeuge selbst als auch durch den notwendigen Datenverkehr und die Infrastruktur, die dafür benötigt wird. Serverfarmen und Datenzentren, die für die Verarbeitung und Übertragung der Daten notwendig sind, tragen ebenfalls zu einem erhöhten Energieverbrauch bei. Insgesamt schaut die Energieeffizienz des Systems dadurch miserabel aus und wirkt den Zielen der Nachhaltigkeit entgegen. Autonomes Fahren hört sich gut an und es fasziniert uns, weil es eine neue Technologie ist und man das gerne ausprobiert. Aber den Planeten interessiert das relativ wenig, der schaut auf andere Dinge, nämlich auf den Ressourcen- und Energieverbrauch. Und den gilt es in der Zukunft zu reduzieren, wenn wir andere Ziele, andere Sustainable Development Goals erreichen wollen.

Herr Prutej, Sie sehen das vermutlich aus einer anderen Perspektive?

Walter Prutej: Nachhaltigkeit und innovative, visionäre Ansätze sind wichtig. Wir sollten in der Mobilität mehr zulassen und ausprobieren. Es geht um Arbeitsplätze und Wertschöpfung, und es wäre schön, wenn mehr made in Austria wäre. Wichtig ist auch testen, testen, testen – Daten schaffen Wissen! Automatisierte Mobilität kann den öffentlichen Verkehr unterstützen, besonders auf der ersten und letzten Meile. Hamburg plant bis 2030 rund 10.000 automatisierte Fahrzeuge, um damit den Fahrzeugbestand um ca. 200.000 private Pkws zu reduzieren. Solche Visionen sollten auch in Österreich verfolgt werden. Die Mobilität der Zukunft muss sicher und leistbar sein. Es wird noch einige Jahre dauern, bis die Technologie robust genug ist, aber wir müssen jetzt die Rahmenbedingungen schaffen. Deutschland hat ein Level-4-Gesetz, und auch die Schweiz und Frankreich sind dabei. Wir glauben, dass ab 2027 die ersten automatisierten Fahrzeuge in Österreich Teil des Alltags sein werden und ab 2030 werden diese häufiger zu sehen sein. Es ist wichtig, dass diese Entwicklungen mit regionaler Wertschöpfung verbunden sind, um Zukunftsjobs in Österreich zu schaffen. Aktuell hat dieser Markt eine weltweite Größe von rund 40 Milliarden Euro und eine jährliche Wachstumsrate von über 20 %. Es führen die USA, dicht gefolgt von China.

"Nachhaltige Mobilität wird oft als Klimathema diskutiert, aber sie hat auch wirtschaftliche Vorteile."
Michael Schwendinger

Welche Rolle spielt nachhaltige Mobilität als Wirtschaftsfaktor? Der VCÖ hat dazu zuletzt ja einen Bericht herausgegeben.

Michael Schwendinger: Nachhaltige Mobilität wird oft als Klimathema diskutiert, aber sie hat auch wirtschaftliche Vorteile.Wir sind hinter Deutschland, China und den USA weltweit viertgrößter Exporteur von Schienenfahrzeugen, mit einer Wertschöpfung von 2,7 Milliarden Euro und 30.000 Jobs in der Bahnindustrie.

Auch im Fahrradsektor gibt es große Wertschöpfung, etwa 2,9 Milliarden Euro, inklusive Radtourismus. Unternehmen wie Woom sind erfolgreich, und die Fahrradbranche sichert etwa 30.000 Jobs. Gehen ist ebenfalls gut fürs Geschäft, da es die Passant:innenfrequenz und damit die Umsätze im Einzelhandel erhöht. Insgesamt gibt es über 200.000 Jobs, die durch nachhaltige Mobilität gesichert werden. Es wäre sinnvoll, diese Vorteile weiter auszubauen. Ein klares Bekenntnis zum Ausbau des öffentlichen Verkehrs ist wichtig, ebenso wie Mobilitätsmanagement in Unternehmen. Mit einer sachlichen Diskussion über Verkehrsthemen und einer mutigen Verkehrspolitik könnten wir jedenfalls sehr viel gewinnen.

Dieser Inhalt ist nur für institutionelle Anlegerinnen und Anleger vorgesehen.

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