Engagement: im Dialog mit den größten Passagier- und Frachtfluggesellschaften
In kaum einem anderen Geschäftsbereich sind die CO2-Emissionen so offensichtlich hoch wie in der Luftfahrt. Daher sind Investitionen und Strategien zur Förderung eines nachhaltigeren Flugbetriebs von besonderer Bedeutung. Genau diese wurden durch das Engagement von Raiffeisen Capital Management vorangetrieben.
Zu den Engagement-Aktivitäten von Raiffeisen Capital Management gehört auch der Dialog mit den größten globalen Passagier- und Frachtfluggesellschaften. Rund 30 Unternehmen, darunter Lufthansa, Ryanair und Wizz Air, wurden kontaktiert und mit folgenden Fragen konfrontiert:
Welche Strategien verfolgen Sie, um die Dekarbonisierung Ihres Flugbetriebs voranzutreiben, und wie passen emissionsfreie Flugzeuge in diese Strategie?
Die ungarische Billigfluggesellschaft ist vom Flughafen Wien-Schwechat kaum wegzudenken. Mit einer Flotte von 190 Flugzeugen belegt die Airline den stolzen dritten Platz in Europa und ist die bedeutendste Fluggesellschaft in Mittel- und Osteuropa. Um diese Flotte zu dekarbonisieren, hat das Unternehmen einen dreistufigen Plan vorgestellt. Kurzfristig liegt der Fokus auf der Flottenerneuerung und der Steigerung der betrieblichen Effizienz. Mittelfristig plant Wizz Air den Einsatz von nachhaltigen Flugtreibstoffen (Sustainable Aviation Fuels, kurz SAF) und die Implementierung von Technologien zur Kohlenstoffentfernung. Langfristig strebt das Unternehmen an, ausschließlich emissionsfreie Zukunftstechnologien in Kombination mit SAF zu betreiben.
Um die Innovationskraft der Flugzeugbauer zu fördern, hat Wizz Air gemeinsam mit dem Flugzeugbauer Airbus ein „Memorandum of Understanding“ zur Förderung von wasserstoffbetriebenen Flugzeugen unterzeichnet. Diese Partnerschaft soll die Herausforderungen und Möglichkeiten für den Betrieb von wasserstoffbetriebenen Flugzeugen durch Wizz Air ausloten. Darüber hinaus ist Wizz Air Mitglied der „Renewable and Low-Carbon Fuels Value Chain Industrial Alliance“ und fördert die Nutzung erneuerbarer und kohlenstoffarmer Kraftstoffe in der Luftfahrt, um Investoren Sicherheit in diesem Geschäftsfeld zu geben.
Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um den Einsatz von Sustainable Aviation Fuels (SAF) und anderen alternativen Antriebstechnologien zu erhöhen?
Die Beimischung von Biokerosin zu herkömmlichen Kraftstoffen bietet erhebliches Potenzial, den Flugverkehr nachhaltig zu transformieren. Während die Nachfrage nach Sustainable Aviation Fuels (SAF) steigt, ist das Angebot derzeit begrenzt. Zudem sind technische Anpassungen an den Flugzeugen erforderlich, damit SAF schrittweise fossiles Kerosin ersetzen können. Aus diesem Grund investiert die Lufthansa in Partnerschaften, um die Verfügbarkeit von SAF zu gewährleisten. Diese langfristigen Kooperationen mit Unternehmen wie dem Energieunternehmen Shell und dem finnischen Konzern Neste sichern die Versorgung mit der begehrten Ressource SAF. Die Lufthansa fördert die Kommerzialisierung von SAF und entwickelt gemeinsam mit ihren Partnern Pilotprojekte, um neue Produktionsmethoden zu erforschen.
Ähnlich wie Wizz Air ist auch die Lufthansa Teil eines Forschungskonsortiums mit Airbus, um alternative Antriebstechnologien wie Wasserstoff und elektrische Antriebe zu untersuchen.
Wie planen Sie, die Preise für Flugtickets so anzupassen, dass sie die Umweltkosten widerspiegeln und nachhaltiges Reisen fördern?
Philanthropische Preisaufschläge, wie etwa für den Erhalt von Tropenwäldern in entlegenen Regionen, standen häufig in der Kritik. Daher ist es umso wichtiger, dass Klimakompensationen für Flüge zertifiziert und transparent gestaltet werden, um das Risiko von Greenwashing zu minimieren. Bei Finnair sind freiwillige Preiskompensationen stets zertifizierte Klimaprojekte oder fördern die Verwendung von SAF. Besser als die Kompensation von Emissionen ist jedoch die tatsächliche Reduktion des CO2-Ausstoßes. Die finnische Fluggesellschaft rechnet in Zukunft mit insgesamt höheren Flugpreisen. Dies ist einerseits auf anwachsende EU-Regulierungen zurückzuführen, andererseits sind nachhaltige Biokerosine in der Produktion deutlich teurer als fossile Alternativen.
Welche Veränderungen erwarten Sie in der Zulieferindustrie durch die Einführung neuer Technologien, insbesondere in der Antriebstechnik und bei neuen Flugzeugtreibstoffen?
Turkish Airlines stellt fest, dass die Hauptzulieferer der Luftfahrtindustrie zunehmend auf die Bedürfnisse der Flugzeugbetreiber im Kampf gegen den Klimawandel eingehen. Das Unternehmen betont, dass neben der Forschung an neuen Technologien auch Effizienzsteigerungen einen positiven Effekt auf die Emissionsbilanz von Flugzeugen haben werden. Dies führt nicht nur zu einer Verringerung der Treibhausgasemissionen, sondern auch zu einer Reduktion der Lärmbelästigung.
Neben den technischen Anpassungen an den Flugzeugen sind für Turkish Airlines, wie für viele andere Luftfahrtunternehmen, SAF eine wichtige Komponente im Kampf gegen den Klimawandel. Im Dialog mit Raiffeisen Capital Management betont das Unternehmen jedoch, dass SAF derzeit nur 0,2 % des weltweiten Kerosinverbrauchs ausmachen und die Fluggesellschaften in einem sehr wettbewerbsintensiven Beschaffungsmarkt agieren müssen.
Wie schätzen Sie die Risiken und Chancen ein, die sich aus der Einführung von Regulierungsmaßnahmen wie z. B. einer international geltenden Kerosinsteuer für Ihre Fluggesellschaft ergeben?
„Die Einführung einer nationalen Kerosinsteuer ist vorerst vom Tisch“, berichtet die deutsche Lufthansa im Gespräch mit Raiffeisen Capital Management. Allerdings besteht laut Lufthansa die Möglichkeit einer EU-weiten Steuer, bei der die Fluggesellschaften einen großen Teil der finanziellen Belastung tragen müssten, was die Wettbewerbsfähigkeit auf dem internationalen Markt weiter erschweren würde. Für die Lufthansa sind gleiche Wettbewerbsbedingungen auf globaler Ebene entscheidend, wenn es um die Dekarbonisierung einer international tätigen Branche wie der Luftfahrtindustrie geht.
Aktuell trägt die Luftfahrt ungefähr 3,5 % zur Klimaerwärmung bei. Bis 2050 könnten hier die CO2-Emissionen um 60 Prozent höher liegen als im Jahr 2019. Um seinen Teil zur Einhaltung des Pariser Abkommens beizutragen, steht der Luftverkehr vor der Herausforderung, die Treibhausgasemissionen drastisch zu reduzieren – und das trotz prognostizierter Zunahmen im Passagieraufkommen. Die angesprochenen Unternehmen haben sich bei der Beantwortung unserer Fragen vorwiegend auf den technischen Teil konzentriert. Aus unserer Sicht ist es jedoch fraglich, ob technologische Lösungen ausreichen, wenn nicht zugleich das Nachfragewachstum nach Flügen verringert und langfristig die Nachfrage nach Flügen reduziert werden kann.
Sustainable Aviation Fuels (SAF)
„Nachhaltiger Luftfahrttreibstoff“ ist ein Treibstoff, der aus nichtfossilen Rohstoffen nachhaltig hergestellt wird, wobei erneuerbare Biomasse als Ausgangsstoff dient. Von den bisherigen alternativen Energieträgern gelten SAF als vielversprechendste unmittelbare Möglichkeit der Dekarbonisierung der Luftfahrt.
Durch das Engagement als Baustein eines aktiven Managements können Investoren wichtige Themen der Nachhaltigkeit bei Unternehmen platzieren. Anleger in Fonds nehmen durch ihr Investment an diesem Prozess teil. Aber auch Unternehmen, in die nicht investiert worden ist, können durch Engagements zu einem nachhaltigeren Umgang mit Umwelt und Menschen angehalten werden.
Autor
Mathias Zwiefelhofer, Corporate Responsibility Raiffeisen Kapitalanlage GmbH