Die häufigsten Nachhaltigkeitszertifikate am Immobilienmarkt
Die Definition von klaren und nachvollziehbaren Standards soll zu einer möglichst hohen Objektivität und Transparenz beitragen.
Ein unabhängiges Zertifikat kann einerseits das Bewusstsein für Nachhaltigkeit stärken, es andererseits aber auch Nutzern (also z. B. Mieter:innen) und Investoren erleichtern, nachhaltige Immobilien zu identifizieren. Am verbreitetsten sind die Zertifikate der Anbieter LEED, BREEAM und DGNB/ÖGNI, in Österreich wird zudem die klimaaktiv-Zertifizierung häufig herangezogen. Die großen Anbieter zertifizieren sowohl Neubauten als auch Bestandsgebäude (nach unterschiedlichen Kriterien); auch wird nach verschiedenen Nutzungsarten unterschieden.
Die folgenden Zertifikate sind auf den europäischen Immobilienmärkten am häufigsten anzutreffen, wobei jedes Zertifikat andere Schwerpunkte hat bzw. unterschiedliche Ausprägungen in den verschiedenen Bereichen (wie ökologische, soziale und ökonomische Aspekte) aufweist.
klimaaktiv ist eine Initiative des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie und Teil der österreichischen Klimastrategie. Das Programm fördert nachhaltiges Bauen und Sanieren, den Einsatz erneuerbarer Energien, das Energiesparen sowie Mobilität. Der klimaaktiv-Gebäudestandard bietet verschiedene Zertifizierungsniveaus (Bronze, Silber, Gold) für Gebäude an, die sich auf die Qualität der Infrastruktur, hohe Energieeffizienz, die Nutzung erneuerbarer Energieträger, den Einsatz ökologischer Baustoffe und den thermischen Komfort konzentrieren.
bauXund schadstoffgeprüft ist ebenfalls ein österreichisches Zertifizierungssystem mit Fokus auf Gebäudematerialien. Das Zertifikat wird an Gebäude verliehen, deren Chemikalien- und Produktmanagement im Rahmen einer erweiterten Prüfung bewertet und bei denen die bauökologischen Vorgaben entsprechend umgesetzt wurden. Zudem werden die Ergebnisse im Rahmen von Raumluftmessungen kontrolliert.
Das Zertifizierungssystem der DGNB (Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen) berücksichtigt neben ökologischen und sozialen auch ökonomische Aspekte und bewertet unter anderem die Energie- und Ressourceneffizienz, die ökologische und technische Qualität sowie die Nutzerfreundlichkeit von Gebäuden. Es bietet verschiedene Zertifizierungsstufen (Bronze, Silber, Gold, Platin), aber auch Sonderzertifikate wie DGNB Diamant (für herausragende gestalterische Qualität) oder ÖGNI Kristall (für herausragende soziale Nachhaltigkeit) an. Auch besteht die Möglichkeit, ganze Quartiere, die nachhaltig geplant und umgesetzt wurden, zu zertifizieren.
In Österreich werden Gebäude vom Kooperationspartner ÖGNI (Österreichische Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft) zertifiziert.
Das LEED-Zertifizierungssystem (Leadership in Energy and Environmental Design) wurde vom U.S. Green Building Council (USGBC) entwickelt. Es legt Standards für energieeffiziente, umweltfreundliche und nachhaltige Gebäude fest. Es gibt ebenfalls verschiedene Zertifizierungsstufen (Certified, Silver, Gold, Platinum) und bewertet Kriterien wie Umweltleistung, Wassereffizienz, Energieeffizienz, Materialien und Ressourcennutzung sowie Innenraumqualität und Innovation. Da es oft auf US-amerikanische Normen zugreift, ist es vor allem dort verbreitet bzw. kommt zur Anwendung, wenn US-Mieter größere Flächen anmieten.
Das BREEAM-Programm (Building Research Establishment Environmental Assessment Method) wurde in Großbritannien entwickelt und bewertet Gebäude hinsichtlich ihrer ökologischen, sozialen und ökonomischen Nachhaltigkeit anhand von Kriterien wie Energie, Wasser, Materialien, Gesundheit und Wohlbefinden. Die Zertifizierungsniveaus reichen von akzeptabel über befriedigend, gut und sehr gut bis exzellent. Im deutschsprachigen Raum werden die Zertifikate vom TÜV Süd vergeben.
HQE (Haute Qualité Environnementale) ist ein französisches Nachhaltigkeitszertifikat, das grundsätzlich auch international anwendbar ist; für Gebäude im Bau oder Betrieb, nachhaltige Gebiete und Infrastruktur. Schwerpunkte liegen im Bereich Umwelt, Lebensqualität, Wirtschaftlichkeit und verantwortungsvolles Management. Die Zertifizierungsniveaus lauten good, very good, excellent und outstanding.
WELL ist ein Gebäudezertifikat, das auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Gebäudenutzer:innen abzielt. Mit einem starken Fokus auf die Innenräume einer Immobilie werden folgende 10 Kategorien bewertet: Raumluftqualität, Wasserqualität, Ernährung, visueller Komfort, Bewegung, thermischer Komfort, Raum- und Bauakustik, emissionsarme und ressourcenschonende Baumaterialien, Zufriedenheit, Gemeinschaft und Innovationsansätze. Die erreichbaren Niveaus reichen ebenfalls von Bronze über Silber und Gold bis Platin.
Alle Gebäudezertifikate haben gemeinsam, dass sie die Nachhaltigkeitselemente einer Immobilie von unabhängigen Dritten bewerten lassen und durch eine standardisierte Bewertungssystematik – in der Regel mit verschiedenen erreichbaren Qualitätsniveaus (wie Bronze, Silber, Gold) – dokumentieren. Einige Zertifikate (wie WELL oder bauXund) fokussieren hier bewusst nur auf einzelne Teilaspekte, andere nähern sich der Nachhaltigkeitsthematik möglichst ganzheitlich und berücksichtigen auch ökonomische Kriterien (wie z. B. die DGNB).
Seit Inkrafttreten der EU-Taxonomie-Verordnung bieten einige der angeführten Anbieter auch Überprüfungen von Gebäuden hinsichtlich der Taxonomiekonformität an. Die EU-Taxonomie ist ein Klassifizierungssystem für Wirtschaftstätigkeiten, die einen erheblichen Beitrag zur Erreichung definierter Umweltziele leisten. Zukünftig ist davon auszugehen, dass diese Thematik auch noch mehr Berücksichtigung bei den Immobilienzertifikaten findet bzw. diese beiden Überprüfungen mittelfristig ineinander übergehen oder sogar miteinander verschmelzen werden.
Mag. Christoph Drdla, MBA, MIM
Transaction Manager, Raiffeisen Immobilien KAG