Branchentalk, in Die Presse vom 1. Februar 2023
Nachhaltigkeit und Smart Energy dominieren die Prioritätenliste heimischer Unternehmen
Die große Frage ist, ob die ambitionierten Klimaziele in dem Tempo, wie die Klima-Transformation gegenwärtig stattfindet, zu erreichen sind. Daher hat die „Presse“ gemeinsam mit der Raiffeisen Kapitalanlage-Gesellschaft (Raiffeisen KAG) Expert:innen zum Branchentalk geladen, die Einblick in die Materie haben:
Henriette Spyra, Leiterin der Sektion III „Innovation und Technologie“ im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie
Wolfgang Anzengruber, ehemaliger CEO der Verbund AG, der sich im Verein CEOs for Future für echte Nachhaltigkeit engagiert
Hannes Loacker, Fondsmanager in der Raiffeisen KAG, Investment- Experte u. a. für die Themen (Erneuerbare) Energie, Energieeffizienz und Mobilität.
Krise als Booster
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass Krisen stets Veränderungen getrieben haben. Eva Komarek, General Editor for Trend Topics der Styria Media Group, wollte als Moderatorin der Gesprächsrunde von den Gästen erfahren, ob dies auch angesichts des Ukraine-Konflikts der Fall sei und Prozesse der Nachhaltigkeit beschleunigt werden können oder ob uns der Krieg im Kampf gegen den Klimawandel wieder zurückwerfen könnte, wenn etwa Kohlekraftwerke aus der Not heraus wieder stärker als Energiequelle einfließen.
Alle drei Experten sehen die aktuellen Krisen eher als Booster, jedoch mit Abstrichen. „Das Thema Energiewende hat an Bedeutung gewonnen“, sagte Loacker. „Zum Beispiel, indem die EU einen Re-Power-Plan auflegt. Dadurch werden etwa kürzere Genehmigungsverfahren gefördert und es können u. a. Green Parks rascher umgesetzt werden.“ Auch das EU-Paket „Fit for 55“ enthält viele Vorschläge für neue EU-Rechtsvorschriften, die dazu beitragen sollen, die EU-Klimaziele zu erreichen.
Damit legt die EU ein gutes Rahmenwerk vor, wichtig ist aber auch, dass die Länder und Gemeinden die Möglichkeiten auch umsetzen. „Mehr Bremse als Booster ist die Ukraine-Krise, wenn viel Geld aufgewendet wird, um Systeme zu konservieren, die man loswerden will“, gab Anzengruber zu bedenken, der neuerdings auch als Energieberater für den Bundespräsidenten aktiv ist. Trotzdem zeigte er sich optimistisch, dass die Energiewende gelingt, vorausgesetzt, dass sich Europa nicht nur Ziele setzt, sondern so rasch wie möglich auch in die Umsetzung kommt. „Es gibt eine Inflation an Zielen. Jetzt braucht es klare Wegweiser, wie man die Ziele erreicht.“
Außerdem wünscht sich der Ex-Verbund-Vorstand, dass Österreich aufhört, davon zu träumen, energieautark zu werden. „Ohne Kooperationen mit anderen Staaten und Regionen wird es nicht klappen.“ Spyra betonte, dass man aus Perspektive der öffentlichen Hand unterschiedliche Interessen zu befriedigen habe. „Einerseits sind wir für die Energiewende zuständig, auf der anderen Seite aber auch für Versorgungssicherheit und diesen Spagat gilt es zu bewältigen.“
Entscheidend sei in jedem Fall, die Menschen mitzunehmen. Hier waren sich die Experten einig, dass es in erster Linie eine veränderte Kommunikation benötigt. „Ständig wird bei der Transformation nach den Kosten gefragt“, sagte Anzengruber. „Man sollte sich eher fragen, was es uns kostet, wenn wir jetzt nicht in erneuerbare Energie investieren. Nichts zu tun kommt uns im Endeffekt wesentlich teurer als eine Veränderung.“
Neues Narrativ
Ein ehemaliger Politiker hat den Satz geprägt: Die Energiewende ist ohne Verzicht nicht möglich. „Das ist genau die falsche Kommunikation, weil sie den Menschen eher Angst anstatt Lust macht“, sagte Loacker. Zumindest sollte man dann auch betonen, dass Verzicht nicht automatisch Wohlstandsverlust bedeutet. Man muss die positiven Fakten hervorstreichen und kommunizieren.
„Weg vom Krisennarrativ“, sah es Spyra ähnlich. „Krisen sind zwar ein Push für Veränderung, aber nicht wirklich handlungsmotivierend. Der Wunsch nach Neuem bringt einen vorwärts. Umdenken braucht Zeit. Aber man kann es durch positive Kommunikation beschleunigen.“ Die Expertin aus dem Klimaschutzministerium verwies auf die Werbung, der es in der Vergangenheit gelungen ist, die Autokultur mit Freiheit gleichzusetzen. „Dadurch akzeptieren die Menschen auch, dass Autoverkehr, der an sich nicht schön ist, viel Raum in ihrem Umfeld einnimmt.“
Wird die Energiewende mit positiven Bildern besetzt, ermöglicht es eine lustvolle Transformation. Dazu gehört, dass man Bürger in Entwicklungsprozesse integriert. „Etwa bei der Errichtung von Windparks“, sagte Loacker. „Durch Beteiligung hat man ein anderes Commitment. Klar ist auch, dass ein Mitziehen der Gesellschaft nur gelingt, wenn es Anreize zur Veränderung gibt."
Ein Problem der großen Klimaziele: Sie sind konkret und langfristig. Ohne detaillierte und transparente Roadmaps schiebt man Veränderung auf. Laut den Diskussionsgästen habe der Großteil der heimischen Unternehmen die Transformation im Hinterkopf. Große Firmen verfügen über Roadmaps mit Etappenzielen. Was bedarf es generell zur Transformation? „Ohne Technologie wird es nicht gehen“, meinte Spyra. „Wir erleben in viel kürzerer Zeit größere Skaleneffekte, Kosteneinsparungen und Technologieentwicklungen als jemals zuvor.“
Das sollte ermutigen, die Energiewende als Chance zu sehen. „Wir sind am Anfang vom Ende vom fossilen Zeitalter“, betonte Anzengruber. „Dass wir uns von der Kohlenstoffwirtschaft verabschieden, ist eine Riesenchance für die heimische Wirtschaft. Je früher wir bei dieser industriellen Revolution dabei sind, desto bessere Wettbewerbsvorteile können wir daraus erzielen."
Nachfrage steigt
Damit die heimische Wirtschaft bei der Transformation schneller in die Gänge kommt, braucht es Investoren. Da die Anzahl börsennotierter Betriebe im internationalen Vergleich eher gering ist, scheint es aus Investorensicht, als hinke Österreich bei den Innovationen hinterher. „Es scheitert nicht an der Innovationskraft“, sagte Loacker. Bei Innovationen war Österreich in vielen Bereichen Vorreiter. „Etwa in der E-Mobilität, bei der Digitalisierung der Messgeräte wie Smart-Meter, und in der Wasserkraft sind wir Technologieführer“, führte Anzengruber ein paar Beispiele an.
Loacker verwies zudem darauf, dass das investierbare Universum stetig wächst, da immer mehr Unternehmen auf Smart Energy setzen. „Somit drängen neue Unternehmen an die Börse, aber auch bestehende Unternehmen verändern ihr Portfolio.“ Für die Raiffeisen KAG durchaus erfreulich, weil man bei den Fonds immer mehr Auswahl hat. Dass Nachhaltigkeit bei den Unternehmen im Aufwind ist, zeigt sich an Raiffeisen-SmartEnergy-ESG-Aktien. Der Fonds wurde 2020 mit einem Volumen von acht Millionen Euro gelauncht und liegt mittlerweile bei rund 390 Millionen Euro.
Der Raiffeisen-SmartEnergy-ESG-Aktien weist eine erhöhte Volatilität auf, d.h. die Anteilswerte sind auch innerhalb kurzer Zeiträume großen Schwankungen nach oben und nach unten ausgesetzt, wobei auch Kapitalverluste nicht ausgeschlossen werden können.