Engagement zum Thema "Net Zero"
Wir haben mit großer Freude zur Kenntnis genommen, dass Sie als Vorreiter in Sachen Klimaschutz gelten. Können Sie erläutern, wie Sie versuchen, Ihre klimabezogenen Ziele zu erreichen?
Schneider Electric, Union Pacific
Um eine tatsächliche Reduktion der Treibhausgasemissionen zu erreichen, bedarf es bei Unternehmen einer allumfassenden Strategie. Dabei müssen sowohl innerbetriebliche Emissionen, die bei den Tätigkeiten des Unternehmens selbst ausgestoßen werden (sogenannte Scope-1- und -2-Emissionen), und vor- oder nachgelagerte Emissionen (sogenannte Scope-3-Emissionen) berücksichtigt werden. Deshalb benötigen Unternehmen eine fundierte Klimastrategie mit einem umfangreichen Ansatz, der jegliche betrieblichen Aktivitäten abdeckt. Der französische Elektronikkonzern Schneider Electric hat dazu verschiedene Ziele definiert. Oftmals fällt der größte Teil der Emissionen in den vorgelagerten Lieferketten an. Diese beinhalten den Ausstoß von Treibhausgasen bei Transportwegen oder bei der Herstellung von essenziellen Rohstoffen für die eigenen Produkte. Um genau diese Emissionen zu senken, hat Schneider Electric sich das Ziel gesetzt, mit dem Jahr 2030 im Vergleich zu 2021 die gesamten Scope-3-Emissionen um 25 % zu reduzieren. Um diese ambitionierten Ziele zu erreichen, hat der Elektronikkonzern eine Reihe von Maßnahmen gesetzt. Schneider Electric engagiert sich bereits proaktiv bei den eigenen Lieferketten zum Thema Dekarbonisierung. So ist das Unternehmen mit den tausend größten Lieferanten diesbezüglich in Kontakt. Der nachhaltige Materialanteil soll bis 2025 in allen Produkten eine Größenordnung von zumindest 50 % erreichen. Das betrifft Stahl, Aluminium und Kunststoffe. Weiters sollen keine Plastikverpackungen mit einmaliger Nutzung verwendet werden. Bis 2050 möchte Schneider Electric die Scope- 1-, -2- und -3-Emissionen um 90 % reduzieren, wobei auch hier das Jahr 2021 als Basisjahr herangezogen wird.
Das US-Eisenbahnunternehmen Union Pacific möchte 2050 klimaneutral sein. Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, setzt das Unternehmen auf einen pragmatischen Ansatz und wird deshalb weiterhin Diesel-Lokomotiven betreiben. 300 dieser Triebwagen werden jährlich treibstoffsparend und allgemein effizienter umgerüstet. Weiters sollen Biodiesel und synthetische Kraftstoffe nach und nach vermehrt fossile Energieträger im Diesel nach und nach ersetzen. Auf unsere Frage nach wasserstoffbetriebenen Zügen verwies Union Pacific auf deren Unwirtschaftlichkeit, denn um die Reichweite einer Diesellok zu erreichen, benötigt eine wasserstoffbetriebene Lok sieben Waggons alleine für den zusätzlichen Treibstoff.
Haben Sie dafür konkrete Zwischenziele festgelegt, oder gibt es einen Zeitplan? Haben Sie Ihre Ziele zur Verringerung der Treibhausgasemissionen bis heute erreicht?
Für uns als Investoren ist es sehr hilfreich, wenn Unternehmen ihre Klimaziele klar und unmissverständlich kommunizieren. Das gibt uns vermehrt die Möglichkeit der Evaluierung und Kontrolle der Zielerreichung, auch in den jeweils angestrebten Zeiträumen. Bei unseren Engagements werden diese Unternehmen dann nicht nur nach ihren geplanten, sondern im Detail zu den bisher erreichten Zielen befragt.
Unternehmen der Forstwirtschaft haben im Bezug auf Klimaneutralität eine besonders hohe Verantwortung. So hat das größte internationale Unternehmen in diesem Bereich, Weyerhaeuser aus den USA, das Ziel bekanntgegeben, jedes Jahr die Treibhausgasemissionen seiner Holzproduktsparte um 4 bis 5 % zu reduzieren. Auch soll das hauseigene Natural-Climate-Solution- Geschäft auf 100 Millionen US-Dollar EBITDA bis zum Jahr 2025 wachsen. Weyerhaeuser ist Mitglied der Initiative The Climate Pledge und hat sich damit verpflichtet, ab dem Jahr 2040 keine Treibhausgase mehr zu emittieren.
Der Abbau von Rohstoffen und die Herstellung von Materialien sind tendenziell energieintensive Prozesse, dabei werden überdurchschnittlich hohe Mengen an Treibhausgasen ausgestoßen. Der breit aufgestellte Mischkonzern Johnson Matthey ist auch auf die Raffinierung von Edelmetallen sowie die Produktion von chemischen Katalysatoren spezialisiert. Für jedes seiner Geschäftsfelder hat das Unternehmen im Jahresbericht 2022 klare Ziele bis zum Jahr 2040 kommuniziert, um als Konzern zu diesem Zeitpunkt klimaneutral zu sein. Eines der Zwischenziele von Johnson Matthey ist es beispielsweise, bis 2025 zumindest 60 % der Energieversorgung aller Geschäftsbereiche mit erneuerbarer Energie zu bestreiten. Nach 2025 wird der Fokus speziell auf die Versorgung mit sauberer Energie in den indischen und chinesischen Produktionsanlagen des Unternehmens liegen.
Wie schätzen Sie Ihre technologischen Fortschritte bei der Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Vergleich zu Ihren Wettbewerbern ein?
Technologische Weiterentwicklung ist einer der größten Treiber für nachhaltige Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft. Diese nachhaltigen Technologien können ein wichtiger Marktvorteil gegenüber dem Mitbewerber sein und bekommen demnach immer mehr Bedeutung in Unternehmensstrategien. Selbstgesetzte Ziele können die Innovation des eigenen Unternehmens fördern und einen wertvollen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Unternehmen leisten.
Der niederländische Chemiegigant Akzo- Nobel sieht sich im Vergleich zu seinen Mitbewerbern führend in der CO2-Reduktion. AkzoNobel war das erste Farben- und Lackunternehmen, das sich selbst ein validiertes und wissenschaftlich fundiertes Ziel zur Reduzierung der Kohlenstoffemissionen gesetzt hat. Die Mehrzahl der angefragten Unternehmen wollten sich bei der Frage nach ihrer Einschätzung zum Mitbewerb nicht äußern.
Nehmen Sie an externen Initiativen teil, die Sie zum Handeln im Sinne von Net Zero verpflichten? Wenn ja, was sind die Merkmale dieser Initiativen?
Initiativen, die Unternehmen zu nachhaltigem Handeln verpflichten, sind oft ein guter Anhaltspunkt, um eine vertrauenswürdige Prüfung der Nachhaltigkeitsfaktoren zu ermöglichen und damit das sogenannte Greenwashing zu vermeiden. Ein Beispiel für eine anerkannte Initiative ist die Science Based Targets initiative, nach deren Vorschlägen sich das norwegische Energieunternehmen Scatec seine Klimaziele gesetzt hat. Die SBTi definiert und fördert bewährte Praktiken bei der Festlegung von wissenschaftsbasierten Zielen, bietet Ressourcen und Anleitungen zum Abbau von Hindernissen bei der Einführung und auditiert unabhängig die gesteckten Klimaziele der Unternehmen.
Für den Finanzbereich ist die Net Zero Asset Managers initiative eine der renommiertesten Initiativen, um sich zu konkreten Klimazielen zu bekennen. Neben der Raiffeisen Kapitalanlage-Gesellschaft (Raiffeisen Capital Management) ist auch das Versicherungsunternehmen Northern Trust Mitglied dieser Initiative. Weiters beteiligt sich Northern Trust gemeinsam mit anderen Unternehmen bei Climate Action 100+. Dabei werden die größten Treibhausgasemittenten der Welt in einem gemeinsamen Engagement- Prozess zur Reduktion angehalten. Die Raiffeisen Kapitalanlage-Gesellschaft beteiligt sich ebenfalls an dieser gemeinsamen Initiative. (Siehe "Auf dem Weg zum Net Zero Asset Manager".)
Am 19. März hat der Weltklimarat (IPCC) seinen neuen Bericht über den Stand der Klimaforschung veröffentlicht. Nutzen Sie die IPCC-Berichte als wissenschaftliche Grundlage für Ihre Nachhaltigkeitsstrategien?
Roche, Münchener Rückversicherung
Expertisen und Informationen im Nachhaltigkeitsbereich können aus vielen unterschiedlichen Quellen stammen. Eine dieser Quellen ist die jährliche Publikation des Weltklimarates (IPCC), bei der auch Vorschläge und Anleitungen zur Bewältigung der Klimakrise für Politiker:innen und Investoren enthalten sind. Für Raiffeisen Capital Management dienen die Ergebnisse des IPCC als wichtige Informationsquelle unserer nachhaltigen Veranlagungsstrategien, doch wie sieht das bei anderen Unternehmen aus?
Das Schweizer Pharmaunternehmen Roche nimmt für nachhaltige Strategieentscheidungen und Ziele sowohl interne als auch externe Inputs als Basis seiner Strategie. Roche bezeichnet den IPCC-Report als „one of the most important scientific publications on climate change”.
Für Finanzdienstleister können die Szenarioanalysen des IPCC hilfreiche Bewertungsgrundlagen für deren Einfluss auf die Aktiva und Passiva der Unternehmen liefern. Die Münchener Rückversicherung nimmt für ihre Langfristszenarien die Analysen und Prognosen zum Klimawandel des IPCC zu Hilfe. Für die deutsche Rückversicherung sind hierbei besonders der IPPC-Sonderbericht zur globalen Erwärmung sowie der sechste IPCC-Report von großer Bedeutung.
Herbert Perus, Mathias Zwiefelhofer
Sustainability Office, Raiffeisen KAG