Round-Table-Diskussion

Über die Bedeutung der Rüstungsindustrie für den Erhalt von Frieden und ihre daraus abgeleitete Nachhaltigkeit.

Teilnehmerinnen und Teilnehmer

  • Dr. Christian Klein, Professor für nachhaltige Finanzwirtschaft, Universität Kassel und Mercator Wissenschaftsplattform Sustainable Finance

  • Ulrike Lohr, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Süd-Wind, Bonn

  • Dr. Wolfgang Müller-Funk, Literatur- und Kulturtheoretiker, Wien. Er war Professor für Kulturwissenschaften in Birmingham und Wien

  • Herbert Perus, Sustainability Office, Raiffeisen KAG

  • Moderation durch Dieter Aigner, Geschäftsführer Raiffeisen KAG

Dieter Aigner: Frieden auf der ganzen Welt – das wäre wohl der Idealzustand. Doch davon sind wir weit entfernt. Und was jetzt noch verstärkt auf uns zukommt, sind soziale Spannungen und wirtschaftliche Umverteilungen. Herr Müller-Funk, Sie sind ein bekennender Anhänger einer wehrhaften Demokratie. Braucht es für den Frieden Waffen?

Wolfgang Müller-Funk: Ich könnte es mir jetzt einfach machen und sagen: Ja, das brauchen wir. Ich denke, dass der Westen es verabsäumt hat, die veränderte Wirklichkeit nach 1989, oder spätestens nach 2000, wahrzunehmen. Der österreichische Autor Heimito von Doderer hat den Ausdruck Apperzeptionsverweigerung geprägt, eine solche Wahrnehmungsverweigerung sehe ich. Im Rückblick muss ich leider sagen, dass die Bedingungen der Möglichkeit von Frieden in Europa mit dem atomaren Patt zu tun hatten und damit, dass es so etwas wie eine Sicherheitspartnerschaft gab. Ich will jetzt nicht die kommunistische Herrschaft romantisieren, davon bin ich weit entfernt. Aber es gab ein gewisses Bedürfnis nach friedlichem Austausch. Die kommunistische Herrschaft war nicht revisionistisch. Doch jetzt haben wir es mit einem Regime zu tun, das eindeutig revisionistisch ist, das ein Drittes Reich aufstellen möchte. Ich sage das ganz bewusst so.

Sie vergleichen die Ambitionen Putins mit jenen im Dritten Reich?

Wolfgang Müller-Funk: Ich möchte nur den früheren russischen Ministerpräsidenten Kassjanow zitieren, der gesagt hat: Wenn die Ukraine fällt, dann fällt auch das Baltikum. Das heißt, wir haben es mit einer extrem gefährlichen Situation zu tun, und die Angst, die Putin verbreitet, ist eine sehr wichtige Waffe im Kampf mit dem Westen. Es geht ja nicht nur darum, dass Städte zerbombt werden, sondern es geht auch darum, dass eine ganze Friedensordnung zerstört wurde. Eine Ordnung, die zwar nicht aus Liebe zwischen der Sowjetunion und dem Westen gestiftet wurde, die jedoch zumindest eine Partnerschaft war, auf die man sich in gewissem Maße verlassen konnte. Diese Partnerschaft gibt es nicht mehr. Eine neue Sicherheit kann es nur dann geben, wenn dieses Regime in Moskau fällt. Dann gäbe es die Möglichkeit, mit einem postautoritären Regime ins Gespräch zu kommen. Das heißt, wir müssen – auch in Hinblick auf globale ökologische Herausforderungen – daran interessiert sein, dass die Ukraine nicht fällt und es irgendwann eine demokratische Transformation in Russland gibt. Mit einem Gegner wie Putin, der jede Friedfertigkeit als Schwäche auslegt und ausnützt, ist das nicht möglich.

Russland droht damit, Atomwaffen einzusetzen, welcher Handlungsspielraum bleibt da?

Wolfgang Müller-Funk: Gegenfrage: Wenn Putin erfolgreich in der Ukraine ist und dann ins Baltikum oder in Moldawien einmarschiert: Wird der Westen dann aus Angst vor Atomwaffen Russland diese Gebiete überlassen? Ein System, das sich nicht verteidigen will, ist tendenziell zum Untergang verurteilt. Das heißt, wenn der Westen keine sichtbaren Schritte macht, dem entgegenzutreten, dann sieht die Sache aus meiner Sicht ganz, ganz schwierig aus. Aber ich denke auch, dass der militärische Komplex in Russland einem solchen Abenteuer Putins nicht so selbstverständlich und automatisch folgen wird. Pazifismus ist nicht in jedem Kontext unschuldig. Es ist eine schwierige Frage, aber solange Putin allein mit der Drohung diese Angst verbreitet und den Westen dadurch in Starre versetzt, so lange wird dieser Krieg zu seinen Gunsten weitergehen.

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Wir haben gehört, Pazifismus ist nicht in jedem Kontext unschuldig. Was sagen Sie dazu, Frau Lohr?

Ulrike Lohr: Ich gebe Herrn Müller-Funk jedenfalls in der Hinsicht recht, dass der Ukraine-Krieg für uns in Westeuropa ein Augenöffner war. Westliche Demokratien wollten manches nicht sehen und es wurde verabsäumt zu erkennen, dass es Teil einer wehrhaften Demokratie ist, ein funktionierendes Heer und auch Waffen zu haben.

Allerdings möchte ich da doch auch etwas differenzieren: Eine wehrhafte Demokratie braucht nicht nur militärische Ausstattung, sondern auch starke politische Bündnisse, wirtschaftliche Verflechtungen auf Augenhöhe, nicht Abhängigkeiten. Das sehen wir derzeit am Beispiel Schwedens und Finnlands, die jetzt der Nato beitreten möchten. Der Fokus der aktuellen Diskussion in Deutschland liegt derzeit auf der Erkenntnis, dass zu wenig ins Heer investiert wurde. Deshalb müssen da jetzt rasch 100 Milliarden Euro her. Aber es wird nicht diskutiert, welche Art von Kriegsführung wir eigentlich möchten. Da geht es um international geächtete Waffen, ABC-Waffen, den Export von Rüstungsgütern in kriegsführende Staaten, illegale Waffenverkäufe.

Wie kann es sein, dass deutsche Waffen im Jemenkrieg landen konnten? Mir fehlt diese Debatte. Ja, wir müssen aufrüsten. Aber wir müssen auch diskutieren, um welchen Preis, und was wir möchten und was nicht. Wollen wir autonome Waffensysteme? Ich würde sagen, nein. Wir müssen wehrhaft sein, aber wir müssen auch schauen, wo es rote Linien gibt.

Die Waffenlobby wittert in Anbetracht solcher Diskussionen Morgenluft und versucht nun, vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine, Rüstungsunternehmen in der EU-Taxonomie als nachhaltig zu positionieren. Ein berechtigtes Unterfangen?

Christian Klein: Mich überrascht die Diskussion darüber schon, und ich wundere mich, gelinde gesagt, was Rüstungskonzerne in der Taxonomie-Verordnung wollen? Wenn wir über Nachhaltigkeit sprechen – nämlich gerade über das SDG 16, also Frieden und Gerechtigkeit –, dann frage ich mich, was Waffen damit zu tun haben. Aus meiner Sicht ist es sehr gefährlich, hier Dinge zu verwechseln, nämlich zu meinen, dass es nur „nachhaltig“ und „nicht nachhaltig“ gibt, also grün und braun. Denn es gibt nicht nur grün und braun, sondern auch farblos. Als Standardbeispiel führe ich hier immer den Friseur an, der wissen will, warum er in der EU-Taxonomie nicht vorkommt, da das, was er tut, ja nicht schlecht ist. Die Antwort ist, weil sein Geschäft mit dem Klimawandel nicht unmittelbar zu tun hat. Deswegen steht Haareschneiden nicht auf der Liste der geförderten Maßnahmen. Das Geschäft des Friseurs ist klassisch farblos.

Das der Rüstungsindustrie aber doch braun …

Christian Klein: Was passiert nun im Bereich Sustainable Finance? Hier geht es darum, Kapital vom braunen Bereich in den grünen Bereich umzuleiten. Wir können uns gerne darüber unterhalten, ob Waffen, die bisher braun waren – vielleicht brauchen wir sie in Zukunft ja doch stärker –, jetzt farblos sind. Aber am Ende des Tages, wenn wir darüber reden, ob Waffen nachhaltig sind, dann geht es im Finanzmarktkontext nicht darum, ob man Waffen nicht nur finanziert, sondern darum, ob man sie finanziell sogar fördert. Und dann fragt sich der Friseur zu Recht, warum Waffenproduzenten jetzt mit besseren Finanzierungskonditionen ausgestattet werden, während er nur Zugang zu einem ganz normalen Kredit hat. Ich finde es verblüffend, was die Waffenlobby da offensichtlich versucht.

Doch eines ist aus meiner Sicht sicher: Wenn man den Endverbrauchern sagt, dass die EU-Kommission und ein paar Banken beschlossen haben, dass Waffen nun nachhaltig sind, dann werden sie aus nachhaltigen Investments aussteigen. Denn in Umfragen finden Endverbraucher genau das auf keinen Fall nachhaltig: Kinderarbeit, Waffen und Umweltverschmutzung.

Die Glaubwürdigkeit steht auf dem Prüfstand. Wie konnte es so weit kommen, dass die Rüstungsindustrie im Rahmen der Entwicklung der Sozialen Taxonomie der EU nun eine positive Bewertung im Sinne der Nachhaltigkeit für sich einfordert?

Ulrike Lohr: Die Forderungen der Waffenlobby sind nicht neu. Noch bevor wir von der Taxonomie geredet haben, hat sie schon gegen die ESG-Kriterien geschossen und versucht, sich in Nachhaltigkeitsfonds hineinzureklamieren, weil die Rüstungsindustrie Frieden bringe. Da der Nachhaltigkeitsmarkt damals aber noch eine Nische war, ist die Diskussion nicht wirklich beachtet worden. Das Bemerkenswerte an der bereits geltenden Taxonomie ist, dass erstmals verbindliche Standards dafür geschaffen wurden, was ökologisch sinnvoll ist und was als Transformationstechnologie eingestuft wird.

Beim Thema Ökologie ist das angesichts der wissenschaftlichen Erkenntnisse vergleichsweise gut erforscht und mit naturwissenschaftlichen Daten hinterlegbar. Im sozialen Bereich ist es ein deutlich schwierigeres Unterfangen, derartige Standards zu schaffen, obwohl es ja auch hier zahlreiche sozial positive Aktivitäten gibt, wie beispielsweise den Bau von Krankenhäusern, die Covid-19-Vakzine oder allgemein zugängliche Gesundheitsdienstleistungen. Es gibt viele sozial positiv wirkende Geschäftstätigkeiten, wo wir als Gesellschaft möchten, dass dort Gelder hineinfließen. Doch das muss entsprechend definiert werden. Und das ist das, was die Soziale Taxonomie leisten kann: zu schauen, dass Gelder in diesen Bereich kanalisiert werden, in von der EU definierte, sozial positive wirtschaftliche Aktivitäten. Dass das schwierig ist, ist unbenommen.

Und wie denkt die Rüstungsindustrie, dass sie da reinpasst?

Ulrike Lohr: Indem sie falsch herum argumentiert. Weil die Soziale Taxonomie nicht mit naturwissenschaftlich fundierten Zahlen operieren kann, haben die Kolleginnen und Kollegen, die sie ausarbeiten, sehr klug entschieden, internationale Konventionen und Normen als Basis heranzuziehen. Es soll kein moralischer Punschladen sein, sondern ein Regelwerk, das sich an internationalen Vorgaben von UN und EU orientiert, die in jahrelangen Diskussionen und Kämpfen zu anerkannten Standards entwickelt wurden. Das soll auch gewährleisten, dass der Markt das Regelwerk anerkennt.

Anhand dieser Richtlinien werden sogenannte geächtete Waffen wie beispielsweise atomare, biologische oder Chemiewaffen negativ bewertet und andere Waffen neutral. Und das wäre auch so bei der Sozialen Taxonomie. Das hieße, Rüstung wäre nicht per se negativ, aber gewisse Rüstungsaktivitäten würden komplett ausgeschlossen. In der Taxonomie geht es darum zu sagen, wo möchten wir hin und was ist sozial aufgrund anerkannter Normen. Die Rüstungsindustrie will aber die Norm für ihre Zwecke umdeuten, weil sie dann bessere Finanzierungen bekommt. Aber das ist kein stichhaltiges Argument.

Denn das SDG 16 „Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen fordert mitnichten den Ausbau von Militär – wohl aber illegale Waffenströme deutlich zu verringern. Würde eine soziale Taxonomie nicht auf internationalen Konventionen fußen, könnte auch der Friseur kommen und sagen, dass er ebenfalls einen Beitrag zum sozialen Frieden leistet. Auch wir glauben, dass die Taxonomie tot ist, wenn die Rüstungsindustrie da reinkommt.

Sind Rüstungsunternehmen für nachhaltige Investoren überhaupt ein Thema?

Herbert Perus: Unsere Kundinnen und Kunden erwarten von uns zurecht, dass wir uns von gewissen Investments abgrenzen und das auch argumentieren können. Unternehmen, die kontroversielle oder geächtete Waffen produzieren, sind daher aus unserem Investmentuniversum vollständig ausgeschlossen, da gibt es keine Kompromisse, selbst wenn nur ein kleiner Prozentanteil des Unternehmensumsatzes in diesen Bereich fällt. Schwieriger ist eine Beurteilung, wenn es um das Thema Dual Use geht, also um Produkte, die zwar auch, aber nicht nur im Kriegskontext eingesetzt werden können, beispielsweise Hubschrauber. Hier haben wir eine Umsatzgrenze von 5 % des Gesamtumsatzes des Unternehmens definiert. Das bedeutet, dass wir Unternehmen ausschließen, die mehr als 5 % des Umsatzes mit Produkten erwirtschaften, die auch im Waffen-/Kriegskontext verwendet werden können. Das betrifft mehr als 100 Unternehmen aus einem Universum von rund 2.600 Titeln.

Wie bleibt man hier glaubwürdig?

Herbert Perus: Zertifizierungen– wie beispielsweise das FNG-Siegel oder das österreichische Umweltzeichen – spielen in unserer Branche eine ganz wichtige Rolle. Sie sind praktisch ein objektiver Beleg dafür, dass wir nachhaltig agieren. Die Vergabe erfolgt nach ganz klaren Vorgaben, die einzuhalten sind und die wir auch gerne einhalten. Darüber hinaus stehen wir in sehr intensivem Austausch mit den Unternehmen und betreiben Engagement. Das heißt, wir hinterfragen direkt bei den Emittenten, welche Nachhaltigkeitsstrategien sie verfolgen. Das Erzielen von Impact ist uns ein sehr großes Anliegen.

Worauf wird die Diskussion hinauslaufen? Wird das die Bewährungsprobe für die Soziale Taxonomie?

Christian Klein: Gerade wenn wir im sozialen Bereich über Nachhaltigkeit reden, dann geht es um Werte. Und wenn es um Werte geht, dann gibt es eben unterschiedliche Zugänge, und das ist auch in Ordnung. Gehört Schweinefleisch in einen Nachhaltigkeitsfonds? Das wird ein Mensch muslimischen Glaubens anders sehen als ein Christ. Und das geht in Ordnung. Für die einen gilt das, für andere etwas anderes. Und wenn Sie mich fragen, ob es eine Chance auf eine vernünftige Diskussion oder sogar auf eine Lösung gibt, dann sage ich: Ja, die Lösung ist die Taxonomie. Und deswegen ist diese Taxonomie so extrem wichtig und deshalb sind auch die Diskussionen, die wir dazu gerade führen, von so großer Bedeutung.

Ich bin ein ganz großer Fan der Taxonomie. Ich biete eine Wette an, egal welches Problem wir im Bereich Sustainable Finance und nachhaltige Geldanlagen anschneiden, die Taxonomie wird dieses Problem lösen können.

Eine Brandrede für die Taxonomie …

Wolfgang Müller-Funk: Ich bin ja kein Fachmann für Nachhaltigkeit und Taxonomie. Aber wenn ich mir das so anhöre, dann frage ich mich, ob man die Nachhaltigkeit nicht auch auf andere Bereiche übertragen kann. Zum Beispiel auf die Bereiche von Krieg und Frieden und auch auf die Frage der Erhaltung unserer Demokratie. Es gibt auch eine Ökologie des Geistes, wie das Gregory Bateson einmal genannt hat. Vielleicht gibt es auch eine Nachhaltigkeit in anderen Bereichen. Wenn diese Art von Denken, von Taxonomie, die Sie so rühmen, so effizient ist, dann kann ich mir vorstellen, dass wir auch darüber diskutieren könnten, ob diese auch auf andere Bereiche anwendbar ist. Ich denke, wir sind in der Verpflichtung, die Basis unseres politischen Denkens – die Menschenrechte, die liberale Demokratie und alles, was damit zusammenhängt, Minderheitenschutz usw. – wehrhaft zu verteidigen. Eine Gesellschaft, die nicht bereit ist, das zu verteidigen, hat am Ende verloren. Das gilt für die Ökologie und das gilt für die politische Situation, wie wir sie jetzt haben.

Ulrike Lohr: Ein grundsätzliches Problem, das ich noch einbringen möchte, ist, dass ein Panzer nicht zwischen Gut und Böse unterscheidet. Es kommt immer darauf an, wer ihn benutzt. Das heißt, wir könnten aus Ihrer Sichtweise heraus argumentierend, vielleicht aus nachhaltigen Gesichtspunkten, um den Frieden zu bewahren, Rüstungsgüter schaffen. Aber die Realität zeigt, dass auch deutsche Waffen, sei es aus illegalem Handel, sei es aus politischen Abwägungen, immer wieder in Krisengebieten landen, wo sie unendliches Leid schaffen und bewaffnete Konflikte befeuern. Ja, wir müssen darüber nachdenken und eine politische Entscheidung treffen, wie wir uns als wehrhafte Demokratie aufstellen möchten, aber ich möchte das bitte nicht mit einer Diskussion um soziale Nachhaltigkeit in Finanzströmen verwechselt haben, weil das ist tatsächlich eine ganz andere Fragestellung.

Kommen wir zu unserer Schlussrunde. Was wäre an diesem Punkt der Erkenntnisse aus Ihrer Sicht besonders wichtig?

Christian Klein: Die Soziale Taxonomie wurde von unabhängigen Experten und Expertinnen entwickelt, die das ehrenamtlich gemacht und unglaublich viel Arbeit hineingesteckt haben. Ich würde mir wünschen, dass da jetzt nicht auf den letzten Metern die Politik nochmal ganz andere Aspekte hineinbringt. Denn dann besteht die Gefahr, dass so einem Regelwerk die Glaubwürdigkeit geraubt wird, selbst wenn niemand gezwungen wird, in die Rüstungsindustrie zu investieren, nur weil sie in der Taxonomie steht. Deswegen fände ich es gut, hier das größere Ziel zu sehen, nämlich die Nachhaltigkeit: Wir wollen die SDGs erreichen. Wir wollen diese Welt retten. Die politischen Interessen sollten dabei ein wenig in den Hintergrund rücken. Mehr Basisdemokratie und weniger Politik wären an dieser Stelle aus meiner Sicht wünschenswert.

Herbert Perus: Aus Investmentsicht wünsche ich mir, dass diese Flut an Geldern, die in Nachhaltigkeit fließt, nicht verebbt und dass nachhaltiges Investment bei den Anlegerinnen und Anlegern weiter in die Breite geht – von einer relativen Minderheit zu einer relativen Mehrheit. Denn nur dann können wir signifikante Geldströme umleiten und echten Impact erzielen.

Ulrike Lohr: Ich hoffe, dass die Politik bei der Definition und Implementierung der Sozialen Taxonomie entschieden vorangeht, denn sonst bleibt das Pferd auf einem Bein stehen. Was ich mir auch wünsche, ist ein generell stärkerer Fokus auf die Erreichung der Ziele der SDGs. Wir brauchen mehr denn je – auch angesichts sämtlicher Krisen auf dieser Welt –, dass Gelder in den globalen Süden fließen, und das auf eine Art und Weise, die Ungleichheiten verringert und lokale Gemeinschaften stärkt.

Die Welt zu einem friedlichen Ort machen, schaffen wir das als Menschheit?

Wolfgang Müller-Funk: Es gibt eine Verpflichtung zum Optimismus und dafür möchte ich mich hier starkmachen. Ich möchte an einem Punkt Herrn Klein widersprechen: Ich wünsche mir mehr Politik und weniger Basisdemokratie. Ich glaube, wir sind in einer Situation, die Verantwortung, Sachverstand, aber auch Mut braucht. Wir müssen alles tun gegen die internen, aber auch externen Gegner unserer liberalen Verfassung. Demokratisch verfasste Gesellschaften sind besser imstande, Probleme zu lösen, auch wenn sie auf den ersten Blick langsamer sein mögen. Man muss Kompromisse machen, man muss streiten. Aber ich traue der repräsentativen Demokratie zu, dass sie politische Probleme lösen kann und dass sie imstande ist, auch soziale Härten, die damit zusammenhängen, auszugleichen.

Ich glaube nicht, dass das alles gratis ist, das wird kurzfristig im Sinne der Nachhaltigkeit auch schmerzhaft sein und teuer werden. Das ist schwierig. Aber ich glaube auch nicht, dass Diktaturen globale Klimakrisen besser bewältigen können. Von daher wünsche ich mir, dass wir unsere demokratische Verfassung stärken und dass wir uns klug überlegen, wie wir uns zur Wehr setzen. Die Gewalt hat eine selbstzerstörende Kraft und zerstört potenziell auch uns selbst. Eine Militarisierung der Gesellschaft ist etwas höchst Problematisches für eine Demokratie. Ich denke, wir haben einen Bedarf nach einer besonnenen Politik. Man kann diesen großen globalen Herausforderungen nicht defensiv begegnen. Man muss offensiv um die Demokratie und ihre Werte kämpfen.

Dieser Inhalt ist nur für institutionelle Anlegerinnen und Anleger vorgesehen.

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